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Das Idol kriecht auf den Thron um zu zerbrechen

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Es ist nicht schön ein Idol zu sein – ganz und gar nicht. Herhalten zu müssen für die Sehnsucht der anderen und sich in irgendeine fixe Idee verspinnen, damit andere daran glauben können. Sich die Identitäten wie eine Schminke auftragen, die man als solche nicht sieht. Oder eine Schminke, die jeder sieht und trotzdem für das einzig Wahre hält. Egal wie, das Idol ist ein armes Schwein, das nicht mehr wegkommt vom Kult und dem niemand mehr begegnet, wie man einem Menschen begegnet.

Am schlimmsten ist es, wenn selbst das Zerbrechen daran, das Versickern in der Lüge des Ruhms und der dunklen Weichheit der übrig gebliebenen Wahrheit, erst Recht den Kult weiterträgt und nicht einmal ein Schuß aus der Flinte irgend etwas davon beenden kann.

In etwa darum geht ein Song von Jacques Dutronc, zu dem sein kongenialer Texter Jacques Lanzmann Sätze findet wie „Ils vont me tuer / Je vais crever / Tous ils m’exploitent / Jusqu’à me battre“. „L’idole (je n’en peux plus)“ erschien auf der Rückseite der EP « J’aime les filles » 1967 auf dem franzöischen Label VOGUE (EPL 8536). Ich weiß nicht mehr, wie ich in den Besitz dieser Platte kam, aber sie war ab der ersten Sekunde ein Ereignis. Das ist schräger Beat und lakonischer Sprechgesang, das ist Pop und trotzdem schmutzig. Auch das „j’ai tout lu, tout vu, tout bu“, der zweite Titel der A-Seite, hat ungeheuer viel seelischen Rockn’roll. Johnny Depp, selbst Kultfigur, sieht in diesem Songschreiberteam (hier ein gespieltes Interview zwischen  Lanzmann & Dutronc)  mehr als eine poptaugliche Chanson-Terrine und sagt: „Most of the songs written by Jacques Dutronc with Jacques Lanzmann are unbelievable. So ahead of their time. In 1966, the Rolling Stones were regarded as a dangerous, but when you listen nowadays to Stones songs of this era, it is clear that the association of Dutronc-Lanzmann was far more subversive. For me, Lanzmann and Dutronc were perhaps the first punks.” Und das stimmt soweit auch.

Das war aufrichtig gemeinte Kunst, die trotzdem rauh, lebendig und notfalls dreckig war. Das hat niemandem nachgeschielt und war nur sich selbst verpflichtet – etwas, das man sehr oft in guten Zweigespannen findet, wo sich jenes Maß an inspirierter Ernsthaftigkeit oder Clownerie, mit dem man miteinander umgeht, ganz automatisch überträgt in die Resultate.

Dutronc war nie ganz vergessen. Es gibt heute wunderbare Remixe (u.a  von Ursula 1000) seiner Songs und es gibt poppige Spuren durch alle Jahre, die doch immer irgendwie schmutzige Ränder haben.

Written by kapuzimann

Januar 22, 2010 um 8:15 am

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