Bereiche für Klang & Kapuzen

Just another WordPress.com weblog

Ein Satz der sich sagt wie ein Raum

leave a comment »

Mir gegenüber wohnte Roland, der in einer Band sang, die ich nie verstand. Wir bestellten manchmal zusammen bei jarmusic Cassetten und Platten,  so konnten wir die Portokosten teilen. Wir hatten kaum Geld und orderten cheapos. Roland träumte davon zusammen mit mir eine Firma zu gründen, die auch Platten vertrieb: Rolafra, aber er nahm viel zu viele Drogen um je in dieser Richtung weiterzukommen.

Irgendwie war es schick, sich zugrunde zu richten. Dazu gehörten Soundtracks, die im Kopf eine Spirale der Einsamkeit losstießen und schließlich in Erschöpfung und Schlaf endeten. Wenn überhaupt. Die Nacht war für den Rausch da und Aufwachen etwas für später. Und es gab ja so viele Sorten von Rausch. Jede Musik hatte ihren eigenen Rausch, jede Begegnung war ein Märchen mit offenem Ende.

I’m dead aus Essex hatten eine selbstproduzierte Single herausgebracht und jarmusic = Joachim Reinbold, der seltsam kompetente Beziehungen in die britische Independentszene hatte, lieferte. Die B-Seite war ein boshafter Track mit dem Namen „the sentence“ – fatal und dramatisch. Zuerst gibt es ziemlich plumpe Synthwinde, abgelöst von verhallten Gitarrenakkorden und –tönen, die dann fest ein monotoner Baßlauf umrahmt. Schließlich singt jemand, der nicht singen kann, aber dem Mikrophon vertraut. Alles klingt unsauber und planlos, aber genau das gibt Weite. Eine Art Session ohne eine exaktere Formel als dem Recht hier zu sein mit Geräusch und Dasein, Gitarre und Gesang.

Ich erinnere mich, das Lied lief bei Roland und hallte aus einem schäbigen Wohnzimmerregal, wir starrten in sein Aquarium und er verdrehte theatralisch die Augen als kippe er jeden Moment hinüber in irgendeine Psychose. Aber ich ließ ihn mit einem Lächeln merken, daß ich sein Schauspiel gut fand und plötzlich lachten wir lauthals los und „the sentence“ lag darunter begraben wie eine Plattitüde.

Die Single von 1983 ist heute in England recht gesucht. Von I’m dead ist kaum mehr erschienen (auf der Coverrückseite ist von einer Demo-Cassette die Rede mit 6 Tracks, aber so gut wie niemand hat sie oder kennt sie – auch nicht Fritz die Spinne; aber in seinem Besitz ist ein Tape mit 11 tracks, und dort hörbar auch ein Bonustrack, der angeblich als Beitrag auf einer Compilation-Cassette erschien: „Dreaming in the House of shadows“).

Keith Goldhanger hatte zwar Unterstützung an den Instrumenten, aber im Prinzip war es ein Solopojekt und das Grim Humour Fanzine brachte 1984 in 1000er Auflage noch eine Split-Flexi zusammen mit den Epidemic heraus, eine Punk Band aus Canterbury, deren Gründer Patrick Murphy heute Gothic-Rock Outfits verkauft.

Die nächsten releases des Goldhanger Labels erschienen Jahre später. Keith Goldhanger, der eigentlich Keith Chapman hieß, gründete dann zusammen mit seinem Bruder Paul die Band Bastard Kestrel und deren 7“ Ep „Cor Trance“ stößt 1988 auf sehr viel mehr Interesse als I’m dead. Nicht zuletzt weil John Peel auf die Band aufmerksam wird und aufmerksam macht. Eine weitere Single stolpert rasch hinterher, die den Song „Stretch“ und zwei Kapitel auswirft. Nach dieser dritten 7“ beendet Keith die Aktivitäten rund um das zu 100 % selbstgestrickte Goldhanger Label.

Written by kapuzimann

Januar 24, 2010 at 8:00 am

Kairo und dann lieber Montreal

leave a comment »

Karim Shukry - Take me home to Cairo

Ägypten – das war ein Land in das ich immer reisen wollte. Nicht der Kultur wegen, Nil, Pyramiden und das alles – nein, ich dachte an die Straßen von Kairo, an blökende Mopeds und Cafés aus denen laute Radios krumme Rhythmen blechern trommeln. Kairo muß eine Metropole sein, die heimlich das enthält, was einmal Ägypten war, in jedem Minztee und jedem Mokka und jeder Story, die der eine dem anderen ausschmückt wie einen gedeckten Tisch. Irgendwie muß alles Menschsein stellvertretend dort vor sich hin kochen, dachte ich, Armut und Reichtum Tür an Tür, Wahrheit und esoterischer Glaube. Einmal hatte ich ein Visa für das Land (als man noch Reisepässe und Visas brauchte), aber es gelang mir nicht anzukommen.

Jedenfalls zögerte ich keinen Moment, als ich in einer Flohmarktkiste eine Single fand, auf der in großen gelben Lettern „Cairo“ stand, stilisierte Häuser duckten sich weiß in den Hintergrund und ein trauriger Silberblick flehte über das Cover hinaus: „Take me back to Cairo“. Karim Shukry nannte sich der Interpret und darunter tauchte auf dem Cover auch der Name des Komponisten auf: Andre Ryder.

Der Song erschien 1961 und ist ein Mix aus hüpfenden arabischen Flöten und Trommeln und westlichen Melodien auf dumpfen Bigbandteppichen; arabische Frauen singen und trällern dazwischen – auf arabisch – und treiben das Ganze in ein swingendes Multi-Bekenntnis. Er war seinerzeit sehr erfolgreich im Nahen und Mittleren Osten, weil er Ohrwurmqualitäten hat und eine sympathisch vibrierende Stimme.

Der Song wurde wiederbelebt von Samir El Eskandarany, als er auf einem Album in den achtziger Jahren arabische Oldies neu aufnahm und vermischte mit modernern Pop-Elementen und er sich vor allem mit Karim Shukrys Song  in neuem Gewand in die Herzen der Hörer spielte.

Von Shukry weiß man im Allgemeinen nicht viel. Das rührt daher, daß der Name lediglich ein Pseudonym war für Jean Zaloum, der schon ab dem frühen Alter von 16 Jahren bei Metro Goldwyn Mayer in Cairo arbeitete und später viele wichtige westliche Filme in Äygpten begleitete, meist die Public Relations übernahm, bspw. für „Das Tal der Könige“.

Er ging bald nach dem Erfolg seiner Single nach Canada, nach Montreal, um dort als Filmproduzent sich einen Namen zu machen. „Karim Shukry“ war also nur eine kleine Episode im Leben von Jean Zaloum, das sich von Jugend an eigentlich immer mehr um den Film als um die Musik gedreht hatte.

Es ist jetzt nicht mehr überraschend, daß hinter Andre Ryder ein Filmmusik-Komponist steckt, der vor allem in den 50er und 60er Jahren für ägyptische Filme komponierte und darüber hinaus: die ägyptische Nationalhymne.

Die vorliegende Platte ist erschienen auf dem Label Mirtouche und ist zumindest hierzulande sehr selten (und es sieht so aus, daß es die einzige Veröffentlichung des Labels blieb). Die B-Seite ist ein durch und durch westlich geprägter Sinatra Verschnitt, der sich natürlich um die Liebe dreht.  „You make me surrender if you say you’re mine“ – Shukry singt das nicht schlecht nicht gut. Es plätschert so hin an die Bar. In der ich in meinen Gedanken auch schon in Kairo war.

Written by kapuzimann

Januar 22, 2010 at 10:19 pm

Das Idol kriecht auf den Thron um zu zerbrechen

leave a comment »

Es ist nicht schön ein Idol zu sein – ganz und gar nicht. Herhalten zu müssen für die Sehnsucht der anderen und sich in irgendeine fixe Idee verspinnen, damit andere daran glauben können. Sich die Identitäten wie eine Schminke auftragen, die man als solche nicht sieht. Oder eine Schminke, die jeder sieht und trotzdem für das einzig Wahre hält. Egal wie, das Idol ist ein armes Schwein, das nicht mehr wegkommt vom Kult und dem niemand mehr begegnet, wie man einem Menschen begegnet.

Am schlimmsten ist es, wenn selbst das Zerbrechen daran, das Versickern in der Lüge des Ruhms und der dunklen Weichheit der übrig gebliebenen Wahrheit, erst Recht den Kult weiterträgt und nicht einmal ein Schuß aus der Flinte irgend etwas davon beenden kann.

In etwa darum geht ein Song von Jacques Dutronc, zu dem sein kongenialer Texter Jacques Lanzmann Sätze findet wie „Ils vont me tuer / Je vais crever / Tous ils m’exploitent / Jusqu’à me battre“. „L’idole (je n’en peux plus)“ erschien auf der Rückseite der EP « J’aime les filles » 1967 auf dem franzöischen Label VOGUE (EPL 8536). Ich weiß nicht mehr, wie ich in den Besitz dieser Platte kam, aber sie war ab der ersten Sekunde ein Ereignis. Das ist schräger Beat und lakonischer Sprechgesang, das ist Pop und trotzdem schmutzig. Auch das „j’ai tout lu, tout vu, tout bu“, der zweite Titel der A-Seite, hat ungeheuer viel seelischen Rockn’roll. Johnny Depp, selbst Kultfigur, sieht in diesem Songschreiberteam (hier ein gespieltes Interview zwischen  Lanzmann & Dutronc)  mehr als eine poptaugliche Chanson-Terrine und sagt: „Most of the songs written by Jacques Dutronc with Jacques Lanzmann are unbelievable. So ahead of their time. In 1966, the Rolling Stones were regarded as a dangerous, but when you listen nowadays to Stones songs of this era, it is clear that the association of Dutronc-Lanzmann was far more subversive. For me, Lanzmann and Dutronc were perhaps the first punks.” Und das stimmt soweit auch.

Das war aufrichtig gemeinte Kunst, die trotzdem rauh, lebendig und notfalls dreckig war. Das hat niemandem nachgeschielt und war nur sich selbst verpflichtet – etwas, das man sehr oft in guten Zweigespannen findet, wo sich jenes Maß an inspirierter Ernsthaftigkeit oder Clownerie, mit dem man miteinander umgeht, ganz automatisch überträgt in die Resultate.

Dutronc war nie ganz vergessen. Es gibt heute wunderbare Remixe (u.a  von Ursula 1000) seiner Songs und es gibt poppige Spuren durch alle Jahre, die doch immer irgendwie schmutzige Ränder haben.

Written by kapuzimann

Januar 22, 2010 at 8:15 am

Ein Pop-Oratorium über das kommende Weltraumzeitalter

with one comment

MIRIAM „Galileo Galilei“  – United Artists Records 1973

“Jetzt hat sie sich mit dem United-Artist-Produzenten Oliver Freytag und dem Schrifsteller Hastings zusammengetan, um ein Pop-Oratorium über das kommende Weltraumzeitalter zu schreiben.“ so steht es im Plattenpass, einem Waschzettel die der Musterplatte beiliegt.

Hinter dem Pseudonym H.H. Hastings verbarg sich der Münchner Claus Heinrichs, der für einige Musiker (u.a. für Eric Marlyn) aus dem Englischen Texte übersetzte und auch selber welche schrieb. Claus Heinrichs stieg 1975 endgültig aus dem Konsumzirkus aus und segelte 10 Jahre lang auf eigenem Kiel um die Welt. Seit 1985 lebt er als „Capitano Claudio“ auf der kleinen Kanareninsel La Gomera, wo er seit 1992 das deutsch- sprachige Inselmagazin „Der Valle-Bote“ herausgibt.

Er ist also dem Schreiben verbunden geblieben. Damals reimte er im Titelsong „Galileo Galilei“: „wenn auch viele menschen / das neue nicht verstehen / und heute noch nach scheiterhaufen schrein / wird neue wahrheit kommen / und neues licht wird scheinen / und neuer geist wird in uns sein“ – das ist hippie-new age pur. Erschienen am 26.01.1973 (also wohl Ende 1972 produziert) auf dem experimentierfreudigen Label United Artists Records GmbH, auf dem viele Deutschrock-Perlen wie Can, Amon Düül, Krokodil, Niagara oder Demon Thor (auf deren Platten übrigens Oliver Freytag als Background-Sänger zu hören ist) veröffentlicht wurden.

MIRIAM war damals 22 Jahre und dennoch kein Neuling mehr. Sie hatte lt. Labelinfo schon in verschiedenen deutschen Bands gesungen. Hier übt sie ein eindringliches, anfangs kratziges Deutsch, das moogumsäuselt in flotten Pop hinausplätschert. Nicht klischeefrei, aber auch nicht unintelligent. Gewiß aber nichts, das dem Anspruch Pop-Oratorium gerecht werden würde, sondern doch mehr dem einfachen Song und teils schlageresk dem ausgerechneten Beifall nachstrebt. Als Produzent fungierte das „Team Tomorrow“ und dahinter könnten sich durchaus die UA-erprobten Mannen um Harold Faltermayer versteckt haben, der lange Zeit den einzigen Moog in Münchner Studios sein eigen nannte und ihn wie ein Schatz hütete. Giorgio Moroder benutzte ihn heimlich (und landete prompt mit „Arizona Man“ einen ersten Hit). Keith Forsey, Moroder, Faltermayer und Jürgen Köppers (der u.a. auch eine Live-Platte von Amon Düül II produzierte) waren tatsächlich das kommende Team. Sie kreierten in München den typischen Disco-Sound und wurden weltberühmt.

Miriams Pop- Single mit der Nummer UA 35478 ist sehr selten. Die vorliegende ist ein PR-Copy.

Written by kapuzimann

September 18, 2009 at 8:31 pm

When a woman calls my name … a miracle works

leave a comment »

The Miracle Workers – When a Woman Calls My Name 7” LSD („Love’s Simple Dreams“) Records 1987

Es ist eigentlich Schrammel-Rock, aber da es die Miracle Workers sind, ist es eine ziemlich erregende, ruhelose und beinah explosive Sache, die sich nicht erledigen lässt mit Fußwippen und Fingerschnippen. Ruhe gibt es nicht und selbst das rhythmisch leicht schiefe Durchatmen im Mittelteil, als ein verborgenes Klavier Boogie klimpern will, ist nach allen Seiten offen. Dann bricht die Band zur letzten Runde auf, in der sie den Refrain durch alle Körper hindurchswingt mit lauten Gitarren und um sich schlagender Titelzeile „When a woman calls my name“ – was das auslöst an uneinholbarer Aufregung und Fieber und kindischer Hoffnung und männlichem Drang.

Ich erinnere ein ähnliches Zitat: “God has a very big heart but there is one sin he will not forgive” sagt Alexis Sorbas und schlägt auf den Tisch, weil der Engländer Basil sich ziert die Werbung der schönen jungen Witwe zu erhören: “ if a woman calls a man to her bed and he will not go.” Und genau diese Aufregung und dieses Zittern, das den dummen Jungen aus den Tiefen holt und in das Skelett des Mannes steckt, wenn eine Frau ihn will, treibt diesen Song voran. Es ist als tanzte man sich alle Bedenken und alles Zögern weg. Vielleicht etwas lauter als üblich, nämlich als RocknRoll, aber immerhin und als Hit für die am Irren vorbei geschipperte Zeit ohne Wenn und Aber.

Ein alltime favourite mit Ohrwurmqualitäten.

Diese Single der US-amerikanischen Garagen-Rocker Miracle Workers erschien als limitierte Single (500 Ex.) 1987 beim deutschen Label Love’s Simple Dreams in Berlin, ein wunderbares Label, das wunderbare Platten veröffentlichte. Hier erschien im selben Jahr die LP „Overdose“ der Workers (später auch als CD). Glaubt man der internen Numerierung und den Labelinfos, erschienen kaum mehr als folgende Releases (außer den genannten von den Miracle Workers):

ca. 1988 die LP „A little chin music“ von Sharky’s Machine – eine interessante Band um Mike Edison, der damalige Drummer bei Sharky’s Machine ist Autor von unzähligen pornografischen Novellen und schrieb u.a. für die einschlägige Marihuana-Zeitschrift High Times (hier kann man ein Best of von Mike Edison inclusive einiger Titel von Sharky’s Machine kostenlos herunterladen);

1987 die relativ unbekannte, bislang völlig unterbewertete, auf gelbem Vinyl blendend krautige LP „Yellow Sunshine Explosion“ der gleichnamigen Band aus Dortmund; auch die wundervolle LP „Moving To and Fro“ der Napalm Beach (die genauso wie die Workers ursprünglich aus Portland und dort aus dem Wipers-Umfeld stammten) von 1987. Im selben Jahr auch die 7“ „Ain’t comin’ back“ der Dizzy Satellites.

Dann noch fünf/nein vier Platten der legendären Berliner Garagen-Combo THE CHUD, lt. Labelinfo nämlich bereits 1985 zum Labelstart die Single „Don’t call me batman“ (die aber erst im Juni 1986 und dann tatsächlich bei TWANG! erschien und bei der LSD lediglich den Vertrieb übernahm), dann die LP „Silhouettes of Sound“ von 1986, die Single „Cloudkisser“ von 1988, die LP „Mirage“ von 1989, sowie als Single-Auskopplung daraus „November Rain“ als 12“.

Victor Matias alias Vic Count Gründungsmitglied von The Chud steckte als Produzent hinter manchem LSD Release. Yellow Sunshine Explosion  beispielsweise waren eine hervorragende Live-Band und so ließ Victor die Platte zunächst „live“ im Studio einspielen, und versah sie erst später mit Overdubs wie Sitar und Tamboura etc. Viktor Matias ist heute als Produzent nicht schlecht im Geschäft und veröffentlicht unter dem Namen CELLOPHANE weiterhin eigene Musik.

Das Label Love’s Simple Dreams verschwand relativ zeitgleich mit der Auflösung von The Chud von der Bildfläche.

Written by kapuzimann

September 9, 2009 at 5:49 pm

Immer weiter rocken – ein ausgemusterter Rocksong rockt doch

leave a comment »

David Essex – Rock On 7” CBS 1973

Ein alter Mann, eine Mischung aus Anthony Hopkins und Peter Gabriel, steht auf der Bühne und singt bunte Lieder. Aber irgendwie ist das genauso unpeinlich, wie bei den Genannten. David Essex ist auch heute noch singend unterwegs und ist würdig gealtert, was man von den meisten Teeniestars der Siebziger nicht behaupten kann. Und niemand geringeres als die Smashing Pumpkins haben ihm bis in die Jetztzeit psychedelische Weihen gesichert, indem Billy Corgan den Essex-Song „Rock On“ nutzt, um den Wunsch, weiterzurocken bis das Universum mit Musik erfüllt ist, ins Publikum zu nölen. So sehr ich die Pumpkins schätze, an die klare Weite des Originals kommen sie nicht ran, ein bißchen tänzerisches Fieber der Drums, ein punktierter Bass und ein wenig schrille Gitarre reichen nicht aus um das düster pulsierende, archaisch aus dunklen Trommeln geborene und sich allmählich und kriechend wie eine flackernde Temperatur im Körper ausbreitende Stück von 1973 an Intensität zu erreichen.

David Essex schrieb dieses Lied, aber seinen unverwechselbaren ins psychedelische wandernden Sound erhielt es durch den Produzenten Jeff Wayne, der kurz zuvor auf dem ebenso leicht psychedelisch behauchten Album „Queues“ des niederländischen Softrock-Duos Vigrass & Osborne mitgewirkt hatte (Teile davon sollten einige Jahre später auf Jeff Waynes Soloplatte „The War of the Worlds“ wieder auftauchen). David dachte den Song als Teil der Filmmusik zu „That’ll be the Day“ wo er als Schauspieler überzeugend an der Seite von Ringo Starr, John Hawken, Billy Fury und Keith Moon spielt, das wurde aber abgelehnt, statt dessen singt Billy Fury sehr furios in ein rückkoppelndes Mikro „Long live Rock!“ (ein ebenso wunderbarer Rock’n Roll Song übrigens, den Keith Moon bis zu den Who weitertrug, die später eine Coverversion aufnahmen).

„Rock on“ wurde dann ein Hit auch ohne den Film und wenn man sich den Clip anschaut, weiß man sofort warum. Es gibt eine laszive Animalität darin, eine hautnahe Anwesenheit und ein unaufdringliches, attraktives Spiel mit Begierde und Lust.

Für mich war der Song bei Erscheinen eine Offenbarung. Ich hörte ihn das erste mal im Radio im WDR. Da es in Bayern keine brauchbare Hitparade beim Rundfunk gab (was sich hier plazierte waren olle Kamellen und Schlager), versuchten wir durch hartnäckige Minimalmanipulationen die Teleskopantenne unseres Radio-Cassettenrecorder-Kombigerätes von Neckermann in eine Position zu bringen, in der sie WDR 2 gerade so auf UKW rauschfrei empfing – an guten Tagen, an gewittrigen ging gar nichts. Mal Sondock hieß der radebrechend deutsch sprechende DJ, der die WDR-Hitparade live auflegte und der dazu auch die neuesten Chartstürmer oder Neuerscheinungen aus England und USA jeden Mittwoch vorstellte. Ein Kult-Highlight jeder Woche. Was für andere die Sportschau am Samstag war für uns Noch nicht mal-Milchbärte die WDR-Hitparade (man höre auf der Mal Sondock-Fanpage einmal den Hitparaden-Jingle und die unnachahmlichen Moderationen!).

Written by kapuzimann

September 8, 2009 at 6:46 pm

Eine unbekannte Portion Kraut – The Intonation Singers

with one comment

The Intonation Singers – Be my Baby 7″ auf Pilot ca. 1973

Diese Single der INTONATION SINGERS ist kein Knaller. Aber sie ist – auch das zählt bei Sammlern  – absolut selten. Und sie ist gänzlich unbekannt, fehlt in allen einschlägigen Katalogen wie dem Cosmic Price Guide und wohl auch in allen Sammlungen. Dabei ist es echter, früher Deutschrock. Die A-Seite „Be my Baby“ eröffnet mit einem psychedelisch angehauchten Heavy-Intro, angelehnt an Uriah Heep, bevor das ganze mehr in Beat und Refrain und liedhaftem Wechsel verkümmert, ohne auf den fulminanten Beginn zurückzukommen. Erst das Ende baut wieder Spannung auf, indem es erst absackt und dann noch mal emporkochen will. Das zweite Stück „Do it“ hat sich aus verschiedenen Ecken die Integrenzien zusammengeklaut: da ist  bspw. ein Nanananana umwickelt mit dem Chorgesang der Les Humphries. Klau mich, heißt die Devise. Grandios aber die Gitarre, die sich herantastet mit trockenen Wahs und dann wunderbare verzerrte Soli hinfetzt, gegen die am Ende auch der Sänger ansingt und chancenlos bleibt. Die Platte wurde arrangiert und produziert von einem gewissen Horst K. J. Lubitz und erschien als Nummer 451031 auf dem kleinen Label PILOT. Was gibt es noch zu sagen?

Horst Lubitz spielte am Saxophon 1972 immerhin zusammen mit ernsthaften Musikern wie dem Trompeter Conny Jackel (der 1966 auf Charly Antolinis „Drum Beat“ debütierte und 1967 auf der Pardon-Platte „Im Wunderland der Triebe – Der Tönende Sexreport“ mitwirkte) und dem Gitarristen Volker Kriegel die LP „Politparade – Musik aus Studio Bonn“ von Volker Kühn und Roland Schneider ein, Jazzarrangements mit O-Tönen von Politikern aus Bonn. Danach richtete er sich neu aus, vergaß den Jazz und den Rock, um im Disco-Sound den Erfolg zu suchen. „Hustle me, hustle you“ war ein erster dieser Titel, damals interpretiert von den Airlines. Er war Teil, schrieb für und produzierte 1977 das Trio „Love Fever“, das mit dem gleichnamigen Song (auf der LP immerhin mit einer über 17minütigen Version) und einer Disco-Version von House of the Rising Sun (über 10 Minuten lang) auf den Markt kam. Das Traditional brachte er nach dem Scheitern des Trios unter dem sinnreichen Kürzel HOT R.S. 1978 gleich noch mal auf den Markt, diesmal bei Chrysalis und in leicht veränderter Produktion. Zu jener Zeit gab es einen großen Markt für Disco-Platten vor allem in Frankreich und einige von Lubitz Releases erschienen nur dort. Sie sind heute zum Teil wieder  gesucht und nicht häufig.

HOT R.S. war kein ausschließliches Lubitz Projekt, sondern unter diesem Namen spielte der Produzent Kevin Kruger Klassiker der Rock-Geschichte im Disco-Gewand ein, auf dem 1978er Album „Forbidden Fruits“ beispielsweise eine interessante Kombination von Iron Butterfly’s ‚In-A-Gadda-Da-Vida‘ mit Frankie Vaughan’s 1957er Hit ‚Garden Of Eden‘. Unterstützt wurde er dabei von Fall zu Fall von nicht ganz unbekannten Musikern – Trevor Rabin (yes – der von YES!)  hat hier mitgespielt.

Die Single der Intonation Singers auf dem PILOT Label erschien schätzungsweise um 1973, ein weniges früher als die gleichfalls seltene 7“ von Brigitte Thomas „Die schönsten Jahre“, eine Schlager-Scheibe. Brigitte Thomas hat wohl bei den Aufnahmen der IS im Chor mitgesungen, 1974 lieh sie auch der Deutschrock-Combo TRIUMVIRAT ihre Stimme für die Background Vocals. Lubitz hielt sich zu dieser Zeit mehr schlecht als recht mit dem Schreiben von Klavierbearbeitungen für andere Komponisten und Interpreten über Wasser, u.a. für Costa Cordalis. Für die Songs zeichnet ein ominöser „Sir Ibul“ verantworlich – ein Blick auf den rückwärts gelesenen Nachnahmen löst das Rätsel: die Intonation Singers sind ein reines Studio Projekt von, mit und für Horst K. J. Lubitz. Einer der vier Herren auf dem Cover dürfte Herr Lubitz himself sein.
Alles in allem hat das PILOT Label kaum Spuren hinterlassen. Es startete als Label für tönende Ansichtskarten und versuchte Anfang der Siebziger in verschiedene Märkte gleichzeitig einzudringen, ob in der Volksmusik mit dem Trompeter John Quadflieg oder dem Grenzland Terzett, dem Schlager mit den Kerk Singers oder Brigitte Thomas, dem Pop und Rock mit Willie Nelson, den Intonation Singers oder Sherry Boyce oder im Humoresken bspw. mit der rheinischen Frohnatur Friedhelm Riegel oder Jo Arns. Es erschienen hauptsächlich Singles und Weniges ist davon erhalten geblieben. Sammler mögen Ausschau halten – eine komplette Sammlung der Veröffentlichungen zusammenzutragen dürfte kaum Geld, aber viel Geduld kosten.

Written by kapuzimann

September 7, 2009 at 6:04 pm

Eigentlich ein Liebesliedchen, sagt Dr. Babelfish

leave a comment »

DR. BABELFISH „Peach Cream Pie“ – 7″ Toaster im Test-Records 1996

Wer die UMMENAND GUMPE-Compilation-MC hat (unmöglich sie zu haben, es gibt sie wahrscheinlich nur in einer Handvoll Exemplaren – schade eigentlich, denn ich finde sie wirklich gut), kennt Dr. Babelfish als Schrummel-Schrammel-Poeten. Mit der 1996 auf Toaster im Test erschienenen 7″ stößt er in Gefilde vor, in denen sonst Alan Jenkins oder Yukio Yung spielen, so richtig mit Zeug und allem ummenand, weil es den Himmel nicht gibt ohne Spiel, und der Sinn ein Geschenk ist von den vorhandenen Dingen. Dr. Babelfish klingt nach den frühen Deep Freeze Mice, also intelligenter, irdischer Pop auf der Gitarre, den man nicht erkennt, wenn man nicht weiß, wie das ist: die Musik betrachten wie feuchte Erde, die sich zwischen die Zehen drückt.

Die A–Seite „Bartlebees Tune (My Favorite (I´m Gonna Cover It Soon))“ ist ein echter Hit, eigentlich ein Liebesliedchen, das sich selbst aufbläht indem es sich verschachtelt. Es mündet in eine Party voller Minimalideen, Krach und Lautgestöber. Es sollte ein einfacher Song werden und wurde durch wochenlange spielerische Bearbeitung so nebenher zu einer improvisierten Geräuscheoper. Der Gesang erinnert an die frühen YEAH YEAH NO, etwas nasal, schief, ungelenk.

Die andere A-Seite „Peach Cream Pie“ beginnt dort, wohin die erste A-Seite wollte – bei einer Soundcollage und löst sich auf in poppigem Pseudo-Jazz. „Extrem peinlicher Gesang, planlose Songstrukturen, stümperhaft gespielte Billiginstrumente“ verspricht das s/w fotokopierte Beiblatt und das Stück hält das alles und überbietet die schlimmsten Befürchtungen in zwei wesentlichen Additiven: Charme und Witz.

Hinter DR. BABELFISH steckte der Bonndorfer Harald Höft, der wahrscheinlich ebensowenig unter seinem zweiten Alter Ego „the huh“ als Comiczeichner bekannt geworden sein dürfte. Für 1998 war eine CD „Out of Humor“ mit 5 Tracks angekündigt, von der ich nicht weiß ob sie je erschien, vielleicht als private Brennung.

Die sehr seltene (die Platte wird einmal eine teuer bezahlte Rarität werden), mit 33 Umdrehungen zu spielende 7“ erschien als TiT N°3 auf dem kleinen Label „TOASTER IM TEST“ von Oliver Suhl, der damals ebenfalls in Bonndorf lebte und vielleicht noch immer dort lebt. Er hat unter anderem 1995 zu Beginn seiner Labelarbeit auch eine wundervolle 10“ des Chilenen ALVARO herausgebracht – Kenner schätzen diesen Singer/Songwriter seit je, für alle anderen sei das Labelinfo zu Alvaros Zehninch „live in Berlin 94“ hier wiedergegeben:

Alvaro (geb 1943) hat ein bewegtes radikales Leben hinter sich: Seit 62 in diversen R`n´R Bands in Chile, arbeitete als PR Mann für die Wahl Allendes, flüchtete während des Pinochet Putsches, gründete zusammen mit Joe Strummer (Clash) die 101ers, veröffentlicht seit ´77 div. Lps, Tapes, Videos und ist immer aktiv. Hier rare Liveaufnahmen, solo am Piano mit einem guten Querschnitt: neben den lateinamerikanischen Wurzeln sind natürlich Elemente europäischer Folk- und Rockmusik zu hören. Über allem sein trotzig-trauriger Gesang (engl. und span.), sehr intim, direkt und selbstbewußt. Ein eigensinniger Künstler.“ Der sich selbst treu blieb und lebte, was er sang und sang was er lebte.

Man lese über Alvaro nach und es gibt auch Videos, die ein erstes Bild entwerfen.

Written by kapuzimann

September 7, 2009 at 5:38 pm

Ein Weirdo trifft auf kühle Twanger

leave a comment »

Mick Blood & The Pushtwangers „3rd Season“ –  7″ auf Rattlesnake 1987

Mick Blood & The Pushtwangers - 3rd Season. 7 bei Rattlesnake 1987

Mick Blood & The Pushtwangers - 3rd Season. 7" bei Rattlesnake 1987

Eine meiner definitiven Lieblingssingles. Hier trafen sich Gut und Böse, und zwar 1985 die schwedischen Pushtwangers und Mick Blood, der charismatische Frontman der bereits 1979 gegründeten und späterhin beim Major Virgin unter Vertrag genommenen australischen Lime Spiders, zu einer orgasiastischen Session simpler, gitarrengetriebener, sixtiesorientierter Musik. Nachdem er kurzfristig seine Band verlassen hatte und durch Europa tourte, traf er auf die Pushtwangers (man besorge sich ihr hitverdächtiges „I Won’t Get Out Of Bed“ von ihrer etwa zeitgleich erschienen relativ blassen und braven LP „Don’t be afraid“) und bei den Aufnahmen zu den zwei Tracks der Single kitzelte er soviel Schmutz aus den sonst eher skandinavisch verspielt twangenden statt fulminant pushenden Pushtwangers hervor, daß es eine Freude ist. Rock geradeaus und pur mit grandiosem Songschrieb und bester Triebkraft. Mick Bloods enorme Dynamik verwandelt seine Stimme in eine Säge, die am Ende nach überallhin schneidet. Und zieht Farfisa und Fuzz, Beat und alles Gelände mit in den entstehenden Spalt.

Für Lime-Spiders-Puristen (hier ein älteres Video, das sehr gut die brachiale Energie der Band einfängt)  ein nichtssagendes Intermezzo, zu unweit, zu klar, zu gerade geschnitten, viele Fanzines begrüßten die Single nicht als das, was sie tatsächlich ist: eine aus dem Aufeinandertreffen von molekularen Unterschieden im Temperament geborene Perle. Sie erschien 1987 als RAT 702 auf Rattlesnake. Das Cover Artwork besorgte Cody Anderson.

Written by kapuzimann

September 5, 2009 at 9:11 pm

Taste kommt vom Tasten

leave a comment »

Collage/Mischtechnik Frank Milautzcki 2008

Collage/Mischtechnik Frank Milautzcki 2008

Manchmal suche ich alte Platten im Netz und finde vieles von dem, was für mich einmal bedeutungsvoll war oder noch immer ist, kaum gefeatured. Das liegt oft daran, daß ich seit vielen Jahren gerne Musik höre, die sich randständig bewegt. Andererseits aber auch daran, daß es fast ein Zuviel gibt – ein Zuviel an Erscheinung und ein Zuviel an Behauptung und viele Dinge, die gut sind, einfach unbekannt sind und bleiben. Man muß sich hindurchtasten und herausfinden, was denn nun zu einem passt. Entdecken! Das ist etwas, was man im Internet mehr denn je kann – und man kann selbst Entdecktes präsentieren und zu mehr Beachtung verhelfen.

Dieser Blog soll Lust machen auf musikalische Entdeckungungen und gleichzeitig Niederschlag sein von individuellen Hörgewohnheiten, die sich bei mir vom Easy Listening bis zum Chanson, vom Krautrock bis zu obskuren Independents spannen. „The more different kind of music you can hear with pleasure – the more persons you can understand and have in you“ hat mir ein Freund aus Marokko einmal gesagt. Genau:  umso bunter ist  das eigene Leben und das Seelenleben. Wir lagen auf einem Stapel Matratzen in einer Schachtel als Zimmer und hörten Georges Moustaki (ich habe es dort gelernt George Moustaki so zu hören, daß ich ihn liebe) und The Cure.

Also gibt es Musik, Platten, CDs, MCs auf dieser Seite und manchmal einen aktuellen Kommentar oder aber auch Zitate aus alten Reviews, die ich seinerzeit für Fanzines zu dieser Musik schrieb. Musik querbeet, die es wert ist nicht ungehört zu bleiben, wahrgenommen zu sein als Geste und Ausdruck, als Versuch und Irrtum, als Moment der besonderen Struktur.

Als ich im Frühjahr in Berlin war, besuchte ich durch Zufall zusammen mit meiner Liebsten die Installation „The Murder of Crows“ von Janet Cardiff und George Bures Miller. Ein tolles, unvergeßliches  Hör-Ereignis. Ein großer Raum angefüllt mit genau plazierten Lautsprechern und in der Mitte Sitzreihen für die Zuhörer. Das Surround-System ist gut ausbalanciert, die Geräusche sind in den Raum gestaffelt, Raben durchqueren ihn fliegend, folkloristisch-klassische Chöre wechseln mit Velvet Underground-Psychedelia. Die Installation ist ein poetisches event. Hier ein kleiner Video-Ausschnitt aus dem Aufbau in Sydney (die Lüsterklemmen an den Zuleitungen des Riesen-Megaphons auf dem Tisch waren in Berlin nicht mehr zu sehen).

Vor allem auch die Art, wie Janets Stimme aus dem zentral plazierten Megaphon Traumsequenzen in den Raum spricht, hat mich lange Zeit nicht losgelassen, sodaß ich beschloß mich an eigene Musik für eigene Dichter-Lesungen zu getrauen, indem ich aus alten Bändern meiner Bands Sound-Collagen basteln wollte. Ich ging das sehr spielerisch an und entdeckte dabei den PC als Instrument. Die alten Bänder waren schnell vergessen und etwas völlig Neues entstand. Unter anderem als ein improvisiertes  Resultat ein Podcast, der unter dem Titel „Brückenstücke“ auf http://www.fixpoetry.com zu hören ist.

Leider nicht mit eigenen Texten, aber mit teils sehr interessanten Texten internationaler Poesie. Das ganze hat soviel Spaß gemacht, daß mittlerweile einige Stunden elektronischer Musik entstanden sind, von denen Teile immer wieder ins Netz finden. Unlängst erschien bei Vaatican Records das mp3-Album „Kraut und Granulat“.

Viel Spaß beim Entdecken von Musik.

Frank Milautzcki, 05/09/09

Written by kapuzimann

September 4, 2009 at 6:37 pm