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Ein Pop-Oratorium über das kommende Weltraumzeitalter

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MIRIAM „Galileo Galilei“  – United Artists Records 1973

“Jetzt hat sie sich mit dem United-Artist-Produzenten Oliver Freytag und dem Schrifsteller Hastings zusammengetan, um ein Pop-Oratorium über das kommende Weltraumzeitalter zu schreiben.“ so steht es im Plattenpass, einem Waschzettel die der Musterplatte beiliegt.

Hinter dem Pseudonym H.H. Hastings verbarg sich der Münchner Claus Heinrichs, der für einige Musiker (u.a. für Eric Marlyn) aus dem Englischen Texte übersetzte und auch selber welche schrieb. Claus Heinrichs stieg 1975 endgültig aus dem Konsumzirkus aus und segelte 10 Jahre lang auf eigenem Kiel um die Welt. Seit 1985 lebt er als „Capitano Claudio“ auf der kleinen Kanareninsel La Gomera, wo er seit 1992 das deutsch- sprachige Inselmagazin „Der Valle-Bote“ herausgibt.

Er ist also dem Schreiben verbunden geblieben. Damals reimte er im Titelsong „Galileo Galilei“: „wenn auch viele menschen / das neue nicht verstehen / und heute noch nach scheiterhaufen schrein / wird neue wahrheit kommen / und neues licht wird scheinen / und neuer geist wird in uns sein“ – das ist hippie-new age pur. Erschienen am 26.01.1973 (also wohl Ende 1972 produziert) auf dem experimentierfreudigen Label United Artists Records GmbH, auf dem viele Deutschrock-Perlen wie Can, Amon Düül, Krokodil, Niagara oder Demon Thor (auf deren Platten übrigens Oliver Freytag als Background-Sänger zu hören ist) veröffentlicht wurden.

MIRIAM war damals 22 Jahre und dennoch kein Neuling mehr. Sie hatte lt. Labelinfo schon in verschiedenen deutschen Bands gesungen. Hier übt sie ein eindringliches, anfangs kratziges Deutsch, das moogumsäuselt in flotten Pop hinausplätschert. Nicht klischeefrei, aber auch nicht unintelligent. Gewiß aber nichts, das dem Anspruch Pop-Oratorium gerecht werden würde, sondern doch mehr dem einfachen Song und teils schlageresk dem ausgerechneten Beifall nachstrebt. Als Produzent fungierte das „Team Tomorrow“ und dahinter könnten sich durchaus die UA-erprobten Mannen um Harold Faltermayer versteckt haben, der lange Zeit den einzigen Moog in Münchner Studios sein eigen nannte und ihn wie ein Schatz hütete. Giorgio Moroder benutzte ihn heimlich (und landete prompt mit „Arizona Man“ einen ersten Hit). Keith Forsey, Moroder, Faltermayer und Jürgen Köppers (der u.a. auch eine Live-Platte von Amon Düül II produzierte) waren tatsächlich das kommende Team. Sie kreierten in München den typischen Disco-Sound und wurden weltberühmt.

Miriams Pop- Single mit der Nummer UA 35478 ist sehr selten. Die vorliegende ist ein PR-Copy.

Written by kapuzimann

September 18, 2009 at 8:31 pm

Eine unbekannte Portion Kraut – The Intonation Singers

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The Intonation Singers – Be my Baby 7″ auf Pilot ca. 1973

Diese Single der INTONATION SINGERS ist kein Knaller. Aber sie ist – auch das zählt bei Sammlern  – absolut selten. Und sie ist gänzlich unbekannt, fehlt in allen einschlägigen Katalogen wie dem Cosmic Price Guide und wohl auch in allen Sammlungen. Dabei ist es echter, früher Deutschrock. Die A-Seite „Be my Baby“ eröffnet mit einem psychedelisch angehauchten Heavy-Intro, angelehnt an Uriah Heep, bevor das ganze mehr in Beat und Refrain und liedhaftem Wechsel verkümmert, ohne auf den fulminanten Beginn zurückzukommen. Erst das Ende baut wieder Spannung auf, indem es erst absackt und dann noch mal emporkochen will. Das zweite Stück „Do it“ hat sich aus verschiedenen Ecken die Integrenzien zusammengeklaut: da ist  bspw. ein Nanananana umwickelt mit dem Chorgesang der Les Humphries. Klau mich, heißt die Devise. Grandios aber die Gitarre, die sich herantastet mit trockenen Wahs und dann wunderbare verzerrte Soli hinfetzt, gegen die am Ende auch der Sänger ansingt und chancenlos bleibt. Die Platte wurde arrangiert und produziert von einem gewissen Horst K. J. Lubitz und erschien als Nummer 451031 auf dem kleinen Label PILOT. Was gibt es noch zu sagen?

Horst Lubitz spielte am Saxophon 1972 immerhin zusammen mit ernsthaften Musikern wie dem Trompeter Conny Jackel (der 1966 auf Charly Antolinis „Drum Beat“ debütierte und 1967 auf der Pardon-Platte „Im Wunderland der Triebe – Der Tönende Sexreport“ mitwirkte) und dem Gitarristen Volker Kriegel die LP „Politparade – Musik aus Studio Bonn“ von Volker Kühn und Roland Schneider ein, Jazzarrangements mit O-Tönen von Politikern aus Bonn. Danach richtete er sich neu aus, vergaß den Jazz und den Rock, um im Disco-Sound den Erfolg zu suchen. „Hustle me, hustle you“ war ein erster dieser Titel, damals interpretiert von den Airlines. Er war Teil, schrieb für und produzierte 1977 das Trio „Love Fever“, das mit dem gleichnamigen Song (auf der LP immerhin mit einer über 17minütigen Version) und einer Disco-Version von House of the Rising Sun (über 10 Minuten lang) auf den Markt kam. Das Traditional brachte er nach dem Scheitern des Trios unter dem sinnreichen Kürzel HOT R.S. 1978 gleich noch mal auf den Markt, diesmal bei Chrysalis und in leicht veränderter Produktion. Zu jener Zeit gab es einen großen Markt für Disco-Platten vor allem in Frankreich und einige von Lubitz Releases erschienen nur dort. Sie sind heute zum Teil wieder  gesucht und nicht häufig.

HOT R.S. war kein ausschließliches Lubitz Projekt, sondern unter diesem Namen spielte der Produzent Kevin Kruger Klassiker der Rock-Geschichte im Disco-Gewand ein, auf dem 1978er Album „Forbidden Fruits“ beispielsweise eine interessante Kombination von Iron Butterfly’s ‚In-A-Gadda-Da-Vida‘ mit Frankie Vaughan’s 1957er Hit ‚Garden Of Eden‘. Unterstützt wurde er dabei von Fall zu Fall von nicht ganz unbekannten Musikern – Trevor Rabin (yes – der von YES!)  hat hier mitgespielt.

Die Single der Intonation Singers auf dem PILOT Label erschien schätzungsweise um 1973, ein weniges früher als die gleichfalls seltene 7“ von Brigitte Thomas „Die schönsten Jahre“, eine Schlager-Scheibe. Brigitte Thomas hat wohl bei den Aufnahmen der IS im Chor mitgesungen, 1974 lieh sie auch der Deutschrock-Combo TRIUMVIRAT ihre Stimme für die Background Vocals. Lubitz hielt sich zu dieser Zeit mehr schlecht als recht mit dem Schreiben von Klavierbearbeitungen für andere Komponisten und Interpreten über Wasser, u.a. für Costa Cordalis. Für die Songs zeichnet ein ominöser „Sir Ibul“ verantworlich – ein Blick auf den rückwärts gelesenen Nachnahmen löst das Rätsel: die Intonation Singers sind ein reines Studio Projekt von, mit und für Horst K. J. Lubitz. Einer der vier Herren auf dem Cover dürfte Herr Lubitz himself sein.
Alles in allem hat das PILOT Label kaum Spuren hinterlassen. Es startete als Label für tönende Ansichtskarten und versuchte Anfang der Siebziger in verschiedene Märkte gleichzeitig einzudringen, ob in der Volksmusik mit dem Trompeter John Quadflieg oder dem Grenzland Terzett, dem Schlager mit den Kerk Singers oder Brigitte Thomas, dem Pop und Rock mit Willie Nelson, den Intonation Singers oder Sherry Boyce oder im Humoresken bspw. mit der rheinischen Frohnatur Friedhelm Riegel oder Jo Arns. Es erschienen hauptsächlich Singles und Weniges ist davon erhalten geblieben. Sammler mögen Ausschau halten – eine komplette Sammlung der Veröffentlichungen zusammenzutragen dürfte kaum Geld, aber viel Geduld kosten.

Written by kapuzimann

September 7, 2009 at 6:04 pm