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Eigentlich ein Liebesliedchen, sagt Dr. Babelfish

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DR. BABELFISH „Peach Cream Pie“ – 7″ Toaster im Test-Records 1996

Wer die UMMENAND GUMPE-Compilation-MC hat (unmöglich sie zu haben, es gibt sie wahrscheinlich nur in einer Handvoll Exemplaren – schade eigentlich, denn ich finde sie wirklich gut), kennt Dr. Babelfish als Schrummel-Schrammel-Poeten. Mit der 1996 auf Toaster im Test erschienenen 7″ stößt er in Gefilde vor, in denen sonst Alan Jenkins oder Yukio Yung spielen, so richtig mit Zeug und allem ummenand, weil es den Himmel nicht gibt ohne Spiel, und der Sinn ein Geschenk ist von den vorhandenen Dingen. Dr. Babelfish klingt nach den frühen Deep Freeze Mice, also intelligenter, irdischer Pop auf der Gitarre, den man nicht erkennt, wenn man nicht weiß, wie das ist: die Musik betrachten wie feuchte Erde, die sich zwischen die Zehen drückt.

Die A–Seite „Bartlebees Tune (My Favorite (I´m Gonna Cover It Soon))“ ist ein echter Hit, eigentlich ein Liebesliedchen, das sich selbst aufbläht indem es sich verschachtelt. Es mündet in eine Party voller Minimalideen, Krach und Lautgestöber. Es sollte ein einfacher Song werden und wurde durch wochenlange spielerische Bearbeitung so nebenher zu einer improvisierten Geräuscheoper. Der Gesang erinnert an die frühen YEAH YEAH NO, etwas nasal, schief, ungelenk.

Die andere A-Seite „Peach Cream Pie“ beginnt dort, wohin die erste A-Seite wollte – bei einer Soundcollage und löst sich auf in poppigem Pseudo-Jazz. „Extrem peinlicher Gesang, planlose Songstrukturen, stümperhaft gespielte Billiginstrumente“ verspricht das s/w fotokopierte Beiblatt und das Stück hält das alles und überbietet die schlimmsten Befürchtungen in zwei wesentlichen Additiven: Charme und Witz.

Hinter DR. BABELFISH steckte der Bonndorfer Harald Höft, der wahrscheinlich ebensowenig unter seinem zweiten Alter Ego „the huh“ als Comiczeichner bekannt geworden sein dürfte. Für 1998 war eine CD „Out of Humor“ mit 5 Tracks angekündigt, von der ich nicht weiß ob sie je erschien, vielleicht als private Brennung.

Die sehr seltene (die Platte wird einmal eine teuer bezahlte Rarität werden), mit 33 Umdrehungen zu spielende 7“ erschien als TiT N°3 auf dem kleinen Label „TOASTER IM TEST“ von Oliver Suhl, der damals ebenfalls in Bonndorf lebte und vielleicht noch immer dort lebt. Er hat unter anderem 1995 zu Beginn seiner Labelarbeit auch eine wundervolle 10“ des Chilenen ALVARO herausgebracht – Kenner schätzen diesen Singer/Songwriter seit je, für alle anderen sei das Labelinfo zu Alvaros Zehninch „live in Berlin 94“ hier wiedergegeben:

Alvaro (geb 1943) hat ein bewegtes radikales Leben hinter sich: Seit 62 in diversen R`n´R Bands in Chile, arbeitete als PR Mann für die Wahl Allendes, flüchtete während des Pinochet Putsches, gründete zusammen mit Joe Strummer (Clash) die 101ers, veröffentlicht seit ´77 div. Lps, Tapes, Videos und ist immer aktiv. Hier rare Liveaufnahmen, solo am Piano mit einem guten Querschnitt: neben den lateinamerikanischen Wurzeln sind natürlich Elemente europäischer Folk- und Rockmusik zu hören. Über allem sein trotzig-trauriger Gesang (engl. und span.), sehr intim, direkt und selbstbewußt. Ein eigensinniger Künstler.“ Der sich selbst treu blieb und lebte, was er sang und sang was er lebte.

Man lese über Alvaro nach und es gibt auch Videos, die ein erstes Bild entwerfen.

Written by kapuzimann

September 7, 2009 at 5:38 pm